„Die ganze Welt ist voller armer Teufel, denen mehr oder weniger angst ist.“
Johann Wolfgang von Goethe
Wie richtig er wieder liegt, der gute alte Goethe. Auch ich hatte oft Zeiten, in denen ich praktisch vor allem Angst hatte. Wie ein guter, alter Begleiter stand der „Angsthase“ immer da, wenn alle anderen schon die Party verlassen hatten. Die Zuversicht, der Optimismus, der Reichtum und die Fülle hatten manchmal stumm ihre Hüte genommen und waren von dannen gezogen.
„Hey, da bist du also noch!“, sagte ich zu der zusammengekauerten Figur auf dem Sofa.
„Ja, ich bin schließlich dein alter Freund!“, krächzte das blasse Wesen, dass sich manchmal ganz schön groß machen konnte.
„Gib mir noch einen Drink, Baby. Oder kauf mir morgen etwas Schönes. Aber lass uns diese Sache da nicht machen… Du weißt schon, dieser Vortrag. Ich will ihn nicht halten. Oder dieses Projekt. Auch so eine Schnapsidee. Außerdem wird dir das Geld ausgehen…“
Ja, so ist er. Immer besorgt. Unser guter, alter Freund.
Was können wir nun tun, wenn er immer bei uns ist?
Nimm ihn in einem ersten Schritt an. Es wäre sicherlich zu viel verlangt, diesen griesgrämigen, zotteligen Hasen zu umarmen. Aber stoße ihn nicht weg. Atme ganz tief durch, atme immer wieder sanfte und heilsame Energie ein. Sage zu dem zauseligen Wegbegleiter: Ok, wir beide. Jetzt. Wir schlagen uns zusammen durchs Gehölz. Wir gehen durchs Dickicht. Wir laden wieder die Zuversicht und den Optimismus ein und fragen uns: Was haben wir nicht schon alles geschafft?
Bei der einen Prüfung waren wir klitschnass, die Hände waren schweißig. Aber wir waren dort. Wir sind nicht ohnmächtig geworden. Wir hörten Töne aus unserem Mund kommen.
Mit wackeligen Knien wanderten wir zum Zahn- oder Frauenarzt. Wir verabschiedeten uns von all unseren Kuscheltieren, als würden wir sie nicht wiedersehen.
Doch die Zeit ging darüber hinweg, wie über alle anderen Ereignisse, die uns vorher unbezwingbar erschienen.
Einmal dachte ich zu meinen Studentenzeiten: „Wie soll ich mit den letzten Groschen JETZT auskommen? Ich werde auf der Straße leben und einen alten, schäbigen Einkaufswagen vor mir her schieben…“
Doch dann ging es IMMER weiter. Ohne das ganze Drama. Nein, mit einem Dach über dem Kopf und einem warmen Bett.
Immer kam Hilfe.
Für uns wird gesorgt werden.
Da gibt es diesen Bibelspruch mit dem Hirten und der Quelle, der so sinngemäß lautet, dass immer für uns gesorgt wird und wir immer wieder zur Quelle geführt werden, der Herr unser Hirte ist…
Egal, woran du glaubst, an eine Art Engel, ein Schicksal oder Karma – behalte immer die Überzeugung, dass am Ende alles gut werden wird.
An einem Punkt denkt man, die Angst wird immer größer und größer werden und uns schließlich auffressen. Aber das tut sie nicht. Sie wird kleiner, je mehr wir durch sie hindurchgehen. Wie eine Fata Morgana weicht unser alter Hasenkamerad zurück.
„Wo bist du, alter Begleiter?“, werden wir uns dann vielleicht verwirrt fragen.
„Du brauchst mich gerade nicht…“, wird er hüstelnd sagen. „Machst ja eh alles, wie du denkst…“, wird er anfügen und seine alte Stirn in Falten legen, bevor er sich in seine Kuscheldecke zurückzieht.
Was kannst du ganz konkret tun, wenn die Angst in dir hochkommt?
#1 Lerne, dich innerlich zu beruhigen
Ein Kind, welches ängstlich nachts aufwacht und weint, würdest du ganz lieb trösten und in den Arm nehmen. Du würdest es über den Kopf streicheln, es hin und herwiegen und es anweisen, ruhig, tief und heilsam zu atmen. Auf diesem Atem soll es sich schließlich ganz und gar konzentrieren. Es zählt bis 6, während es vom Bauch aus tiefe Atemzüge nimmt, und atmet dann auf 4 bis 6 Atemzüge wieder aus.
Beruhige dein inneres Kind und sei wie ein Erwachsener, der das ängstliche Kind in die Sicherheit führt.
#2 Dein Mantra: Wie würde es sein, wenn ich keine Angst mehr hätte?
Stelle dir zuerst vor, du hättest überhaupt keine Angst mehr. Dann näherst du dich schrittweise der ängstigenden Situation. Die „Gewöhnung“ an die Situation kannst du mit einer Hypersensibilisierung für Pollen vergleichen. Zuerst erhältst du eine kleine Dosis – diese wird langsam gesteigert, bist dein Körper wieder eine ganze Menge „vertragen“ kann.
Wenn du beispielsweise Furcht vor Hunden hast, dann betrachte zuerst Hundebilder.
In einem nächsten Schritt streichelst du den kleinen Hund vom Nachbarn.
Setze dir Stufen für jedes größere Ziel und verharre auf jeder Stufe so lange, dass du dich selbst wohlfühlst.
Dann gehst du immer einen kleinen Schritt weiter und betrachtest Hunde durch das Gitter im Tierheim.
Später (das ist schon die Gold-Mut-Medaille) führst du einen Hund aus…
Mit diesem „Stufenprinzip“ habe ich gelernt, einen Kopfsprung zu machen. Ich hatte als Kind ständig Angst, ins Wasser zu springen – aber ich brauchte diesen Sprung, um ein Abzeichen erwerben zu können. Ohne dieses Abzeichen durfte ich nicht in ein Ferienlager fahren.
Ich zitterte vor Angst. Die Sache mit dem Ferienlager hatte ich eigentlich bereits zu den Akten gelegt. Nie und nimmer würde ich springen!
NIE!
Dann kam dieser nette Bademeister. Er führte mich auf eine kleine Treppe. Dort sollte ich auf der auf der untersten Stufe üben. Einfach die Arme nach vorn nehmen und ins Wasser gleiten.
Das funktionierte ganz gut. Ich war sehr stolz.
Mit jedem Tag wurde ich etwas mutiger und wir gingen jeweils eine Stufe höher.
Schließlich machte ich am 10. Tag einen tollen Kopfsprung ins Wasser.
Es war plötzlich ganz leicht!
#3 Halte immer etwas mehr von deiner Angst aus
Neulich war ich in einem turbulenten Supermarkt. Es fiel kein Tageslicht in den künstlich beleuchteten Schlauch, es war drückend schwül und ständig piepsten die Scannerplattformen.
„Wie halten Sie das aus?“ fragte ich eine der Kassiererinnen, während ich mir den Schweiß abwischte.
„Ich bin es gewöhnt! Es macht mir nichts mehr aus.“ war die Antwort.
Auch wenn es natürlich nicht die tollste Möglichkeit ist: Es ist möglich, sich an nicht erstrebenswerte Zustände zu gewöhnen. Es wird vertraut und bekannt, bis wir schließlich sicher sind: Wir können eine Menge aushalten. Wir sind gar nicht aus so zartem Seidenpapier. Wir können richtig stark sein.
Unser Leben wird danach weitergehen.
Ab einem gewissen Zeitpunkt steigert sich Angst nicht mehr.
Im Gegenteil, sie nimmt ab.
Das Thema Angst ist sehr komplex, ich kann hier nur einen kurzen Einblick geben. Berichte gern mehr von deinen Erfahrungen und schreibe in die Kommentare.
Du erwägst die Möglichkeit, ein Coaching in Anspruch zu nehmen? Ich freue mich, wenn du mit mir Kontakt aufnimmst.
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